Wer war Thoth? Der ägyptische Gott des Wissens, der Magie und der Zeit
Die altägyptische Mythologie ist reich an faszinierenden Göttern und Göttinnen, doch kaum eine Figur ist so vielschichtig und zentral wie Thoth (auch bekannt als Djehuti oder Tot). Er ist der Herr der Weisheit, der Schreiber der Götter und der Hüter des Universums. Wenn du dich jemals gefragt hast, wer hinter den Hieroglyphen, der Magie und dem genauen Lauf der Zeit in Ägypten stand, dann bist du bei Thoth genau richtig.
Die Identität und Erscheinung des Gottes
Thoth ist wohl am bekanntesten für seine charakteristische Erscheinung, die seine Natur als göttlicher Schreiber und Intellektueller widerspiegelt:
- Der Ibis: Thoth wird meist als Mann mit dem Kopf eines Ibis dargestellt, einem Schreitvogel mit langem, gebogenem Schnabel. Dieser Vogel war ein Symbol der Intelligenz und der Schrift.
- Der Pavian: Gelegentlich tritt er auch in der Gestalt eines Pavian in Erscheinung, oft mit einer Mondsichel auf dem Kopf. Der Pavian ist ein Tier, das scheinbar die Sonne bei ihrem Aufgang begrüßt, was Thoth mit dem Zyklus der Zeit und dem Mond verbindet.
- Attribute: Er trägt oft eine Palette und einen Schreibgriffel oder die Lebenszeichen (Ankh), was seine Rolle als Schreiber, Gelehrter und Schöpfer unterstreicht.
Thoths zentrale Rollen im altägyptischen Kosmos
Thoth war keine Gottheit mit nur einer Funktion; seine Zuständigkeiten waren enorm und für die Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung (Ma’at) unerlässlich.
Der Gott des Wissens und der Schrift
Dies ist seine bekannteste Rolle. Die Ägypter glaubten, dass Thoth die Hieroglyphen erfunden hatte, die heilige Form der ägyptischen Schrift.
- Der göttliche Protokollführer: Er war der Schreiber der Götter, der alle wichtigen göttlichen Ereignisse, Gesetze und Verträge dokumentierte. Ohne ihn gäbe es kein Aufzeichnen der Geschichte.
- Die Schriften des Thoth: Es existiert die Vorstellung von mystischen Texten, den “Büchern des Thoth”, die das gesamte göttliche Wissen und die Geheimnisse des Universums enthalten. Wer diese Schriften lesen konnte, besaß angeblich die Macht, über Himmel, Erde und Wasser zu herrschen.
Der Herr der Zeit und des Mondes
Thoth spielte eine entscheidende Rolle bei der Messung und Organisation der Zeit.
- Der Mondgott: Er war eng mit dem Mondzyklus verbunden und fungierte als dessen Stellvertreter. Die Phasen des Mondes waren die Grundlage für den ägyptischen Kalender, was Thoths Rolle als Gott der Berechnung festigte.
- Der 365-Tage-Kalender: Einer Legende nach soll Thoth die fünf zusätzlichen Epagomenen-Tage (die Tage, die dem 360-Tage-Jahr hinzugefügt wurden) gewonnen haben, um der Göttin Nut die Geburt ihrer Kinder zu ermöglichen. Dadurch wurde der ägyptische Kalender auf 365 Tage verlängert.
Der Richter und Schlichter
Als Gott der Weisheit und des objektiven Denkens war Thoth der große Schlichter unter den Göttern.
- Der Osiris-Mythos: In der zentralen Geschichte von Osiris, Isis und Seth war Thoth der Anwalt von Horus. Er schlichtete den Konflikt zwischen Horus und seinem Onkel Seth und stellte die Wahrheit und Gerechtigkeit wieder her.
Der Meister der Magie und Medizin
Die Magie (Heka) und die Heilkunst waren in Ägypten untrennbar mit dem Wissen verbunden, und somit auch mit Thoth.
- Schutz und Heilung: Priester und Magier riefen Thoth an, um ihre Zauber zu stärken. Er galt als der große Heiler, der seine Kenntnisse der Kräuter und Rituale zur Genesung einsetzte.
Thoth in der Unterwelt: Das Totengericht
Vielleicht am bedeutendsten für den einfachen Ägypter war Thoths Rolle im Totengericht (Halle der Zwei Wahrheiten).
Nach dem Tod gelangte die Seele in die Unterwelt (Duat), wo das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der Ma’at (Wahrheit und kosmische Ordnung) gewogen wurde.
- Der Protokollant des Urteils: Thoth stand während dieses Prozesses neben Osiris und hielt seinen Schreibgriffel bereit. Er protokollierte das genaue Gewicht des Herzens und verkündete das Urteil. Nur wenn das Herz nicht schwerer war als die Feder, durfte die Seele in das Jenseits eintreten.
Der Hauptkultort: Hermopolis
Das Zentrum der Verehrung für Thoth war die Stadt Khmenu in Mittelägypten, die von den Griechen später Hermopolis Magna (“Große Stadt des Hermes”) genannt wurde.
Die Griechen identifizierten Thoth mit ihrem eigenen Götterboten und Wissensgott Hermes, was zur Verschmelzung der beiden Figuren zum geheimnisvollen Hermes Trismegistos (“Hermes der dreimal Größte”) führte – einer Schlüsselfigur in der abendländischen Alchemie und Esoterik.
Fazit: Die ewige Relevanz des Thoth
Thoth war weit mehr als nur ein Gott; er war die Verkörperung der Zivilisation selbst. Er gab den Ägyptern die Fähigkeit zu schreiben, zu messen, zu heilen, und am wichtigsten: die Fähigkeit, die göttliche Ordnung (Ma’at) zu verstehen und aufrechtzuerhalten.
Er steht für die Überzeugung, dass Wissen Macht ist und dass das Protokollieren der Wahrheit essenziell für Gerechtigkeit und das ewige Leben ist.